Jubiläum:
2000. Behandlung
eines Kindes
Besonders Kinder und junge Erwachsene profitieren von der gewebeschonenden Bestrahlung
2023 ist für das Westdeutsche Protonentherapiezentrum (WPE) ein ganz besonderes Jahr: Wir feiern unser zehnjähriges Bestehen. Kurz vor diesem Jubiläum konnte gerade die Behandlung des 2000. Kindes erfolgreich abgeschlossen werden. Ihr Name: Veronica.
2021 wurde bei der heute 17-Jährigen ein Meningeom, also ein Hirntumor, diagnostiziert. Bereits seit ihrer Pubertät litt Veronica unter starken Kopfschmerzen, die zunächst als familiäre Migräne eingestuft und einer psychischen Belastung zugeschrieben wurde. Doch dann spürte sie plötzlich auch ihr linkes Bein nicht mehr und ihr linker Arm fühlte sich taub an, als wenn der Arm eingeschlafen wäre. Ein Krampfanfall mit anschließendem MRT führte schließlich zur Gewissheit: Die damals 16-Jährige hatte einen tennisballgroßen Hirntumor, der zwar nicht streut, aber wächst. Nur eine Woche später lag sie bereits im OP des Ulmer Uniklinikums. Bei dem neunstündigen Eingriff konnte der Tumor nicht vollständig entfernt werden, da er bereits in Knochen und Gefäße eingewachsen war. Aber die Kopfschmerzen waren nach der Operation dennoch verschwunden und man hoffte, dass der Resttumor nicht weiterwachsen würde.
Das änderte sich jedoch im Sommer 2022: Die Kopfschmerzen kehrten zurück und schnell war den Spezialisten in Ulm klar, dass eine weitere Behandlung erforderlich war. Sie überwiesen Veronica an das WPE. Aus gutem Grund: Keine der Protonentherapiezentren in Deutschland hat auf dem Gebiet der Behandlung von Tumoren im Kindesalter so viel Erfahrung wie das WPE der Universitätsmedizin Essen.
Schonende Bestrahlung mit Protonen
Etwa 300 Patientinnen und Patienten im Alter von bis zu 18 Jahren werden jedes Jahr in Essen bestrahlt. Die Hälfte von ihnen ist sogar jünger als sieben Jahre. Daraus ergibt sich eine besondere Expertise, der zu internationalem Renommee verholfen hat: Die jungen Patientinnen und Patienten reisen aus der ganzen Welt in die Ruhr-Metropole an, es kamen sogar welche aus China, Australien, Südafrika und der Mongolei. Rund 20 Prozent der Patientinnen und Patienten am WPE kommen aus dem Ausland. Sie alle profitieren von den Vorteilen der Behandlung: Der Protonenstrahl wirkt zielgerichtet vor allem da, wo es gewünscht ist – im Tumor. „Das Wachstum des kranken Gewebes wird gestoppt und umliegendes, gesundes Gewebe hingegen weitgehend verschont. Liegt ein Tumor sehr nah an Stellen im Körper mit einer wichtigen Funktion oder ist eine besonders hohe Dosierung der Strahlung erforderlich, ist die Protonentherapie als schonende Alternative zu erwägen“, erklärt Prof. Beate Timmermann, Direktorin der Klinik für Partikeltherapie und Ärztliche Leiterin des WPE. Deshalb hat diese Behandlungsoption in der Krebstherapie von Kindern einen ganz besonderen Stellenwert. „Kinder sind im Wachstum und haben noch ihr ganzes Leben vor sich. Umso wichtiger ist es, dass gesundes Gewebe geschont und Spätfolgen vermieden werden.“
Obwohl das Gros der Patientinnen und Patienten noch nicht erwachsen ist, können auch Erwachsene von einer Protonentherapie profitieren. Radikale Operationen können zum Beispiel beim Prostatakarzinom leider nicht selten zu Impotenz und Inkontinenz führen. Auch im Vergleich zur herkömmlichen Bestrahlung mit Photonen kann die Protonentherapie in bestimmten Fällen von Vorteil sein und die Lebensqualität bei den Betroffenen verbessern. Bei Augentumoren nah am Sehnerv oder der Netzhaut kann durch die Protonentherapie oftmals die Sehkraft erhalten werden. Beide Krebsarten werden im WPE ebenfalls behandelt. Auch viele Erwachsene mit Hirntumoren, Sarkomen und Kopf-Halstumoren werden am WPE mit Protonen behandelt
Bei Kindern werden am WPE neben den Hirntumoren (mehr als die Hälfte der Fälle) und sarkomatösen Tumoren (mehr als ein Viertel der Fälle) auch andere Tumorarten im Bereich der Schädelbasis beziehungsweise Kopf/Hals, Wirbelsäule und des Beckens behandelt. Etwa 20 Prozent der Tumore im Kindesalter treten bereits vor dem dritten Lebensjahr auf. Bei den Betroffenen im Alter unter sechs Jahren ist oftmals eine Sedierung erforderlich, um den Stress erheblich zu reduzieren und eine ruhige Lagerung und damit zielgenaue Bestrahlung sicherzustellen. Auch in diesen Anästhesien besteht am WPE eine besonders große Erfahrung, bei über 1000 Kindern wurde sie bei uns bereits durchgeführt.
Lebensqualität und -freude erhalten
Eine solche Sedierung war bei Veronica, unserer 2.000. jungen Patientin, natürlich nicht erforderlich. Fünf Bestrahlungen pro Woche wurden bei ihr durchgeführt. Nach insgesamt 30 Sitzungen konnte die Therapie erfolgreich abgeschlossen werden. Bei jeder Sitzung wurde der Tumor zweimal 60 Sekunden lang aus verschiedenen Richtungen bestrahlt. Mit nur wenig Nebenwirkungen: Kurz nach der Sitzung fühlte sich Veronica immer etwas schlapp und klagte über Kopfschmerzen. Schmerzmittel konnten jedoch schnell Abhilfe schaffen. An der bestrahlten Stelle kam es örtlich zu Haarausfall.
Aber am Nachmittag nach der Behandlung war sie eigentlich immer wieder fit genug, um mit Hündin Nala und ihrer Mutter, die sie begleitet hat, das Ruhrgebiet zu erkunden oder für die Schule zu lernen. Im Mai stehen die Prüfungen für den Realschulabschluss an. Die darf Veronica genauso optimistisch angehen wie ihre anderen Pläne für die Zukunft: Sie möchte eine Ausbildung zur Pharmazeutisch-Technischen Assistentin machen, und eine große Familie gründen – aus medizinischer Sicht spricht nichts dagegen. Und wer die 17-Jährige am WPE kennengelernt hat, weiß, dass die lebensfrohe Jugendliche auch sonst nichts davon abhalten dürfte.
Alles Gute, liebe Veronica!
Behandlung von Kindern
Alle wichtigen Informationen zur Behandlung von kindlichen Tumoren mit der Protonentherapie haben wir für Sie zusammengestellt.