
5000. Patienten-
behandlung im WPE
Ein junger Mann vom Niederrhein ist der 5000. Patient am WPE. Seit Ende Februar wird er mit Protonen bestrahlt – als Teil einer Patientengruppe, die am WPE eine besondere Rolle spielt: Sarkom-Patient:innen. Mit knapp 1300 behandelten Sarkomen, darunter mehr als 650 Weichteilsarkome, sind diese Tumoren die zweithäufigste Diagnose in unserem Zentrum. Doch der Fall von Herrn Emde ist außergewöhnlich – mit einem extrem seltenen und aggressiven Triton-Tumor gehört er zu einer Gruppe von Patient:innen, für die die Protonentherapie eine wichtige Therapieoption bietet.
Eine unerwartete Diagnose
Im Alter von 28 Jahren erhält Moritz Emde eine lebensverändernde Diagnose: einen malignen peripheren Nervenscheidentumor mit rhabdomyoblastischer Differenzierung, bekannt als Triton-Tumor. Diese seltene und aggressive Tumorart ist in seinem Fall im Becken- und Bauchraum lokalisiert. Da zunächst Schmerzen im Bein auftraten wurde der ganz anderswo lokalisierte Tumor nicht sofort entdeckt. Nach der Diagnosestellung kam der aktive Fußballer vom Niederrhein ins Sarkomzentrum der Universitätsmedizin Essen. Hier ist man auf die interdisziplinäre Behandlung von Sarkomen spezialisiert.
Erste Behandlung im Essener Sarkomzentrum
Im September 2024 zeigt ein CT-Scan eine große tumoröse Raumforderung, die benachbarte Organe verdrängt. Aufgrund der Größe und Lage des Tumors ist eine sofortige Operation nicht möglich. Das interdisziplinäre Sarkom-Tumorboard empfiehlt daher eine sogenannte „Induktionschemotherapie“, um das Tumorwachstum zu kontrollieren und eine spätere Resektion – die operative Entfernung – des Tumors zu ermöglichen. Regelmäßige CT-Kontrollen zeigen eine Stabilisierung des Tumors, jedoch keine signifikante Verkleinerung. Da eine Operation weiterhin nicht machbar erscheint, empfiehlt das Tumorboard dann eine Protonentherapie zum Erreichen der lokalen Kontrolle.
Protonentherapie im WPE
Die Entscheidung für die Protonentherapie erfolgte, da diese präzise Bestrahlungsmethode es ermöglicht, auch große Tumoren in herausfordernden Körperregionen gezielt zu behandeln und dabei das umliegende gesunde Gewebe weit möglichst zu schonen. Besonders bei in der Körpertiefe liegenden Tumoren, wie in Emdes Fall, bietet diese präzise Strahlentherapieform erhebliche Vorteile. Sie gibt ihm eine Chance auf eine gut verträgliche Behandlung und eine Verbesserung der Lebensqualität.
Mit Beginn der Protonentherapie wird Moritz Emde zum 5000. Patienten unseres Zentrums. Er geht mit Hoffnung und Entschlossenheit in die Behandlung, wohl wissend, dass die Prognose seines Tumors ernst ist. Dennoch entscheidet er sich bewusst, jeden möglichen Therapieansatz zu nutzen, um seine Situation zu verbessern. Seine Behandlung steht exemplarisch für den medizinischen Fortschritt und die Bedeutung hochspezialisierter Therapien bei seltenen und aggressiven Krebsarten.
Gemeinschaft und Unterstützung
Während seiner Zeit im Protonentherapiezentrum erfährt Moritz Emde nicht nur eine enge medizinische Betreuung, sondern auch die Solidarität und Unterstützung des gesamten Teams. Jeder im Zentrum ist sich bewusst, dass hinter jedem Patientenfall eine individuelle Geschichte steht. Moritz Emde ist nicht nur eine Zahl in der Statistik, nicht nur der 5000. Patient – er ist ein junger Mann mit Hoffnungen, Zielen und einem starken Lebenswillen.
Hintergrund: Triton-Tumor
Moritz Emdes Diagnose lautet maligner peripherer Nervenscheidentumor (MPNST) mit rhabdomyoblastischer Differenzierung – auch als Triton-Tumor bekannt. Dieser gehört zur Gruppe der Weichteilsarkome, einer seltenen Form bösartiger Tumoren des Binde- und Stützgewebes. MPNSTs machen nur 5-10 % aller Weichteilsarkome aus, und die noch seltenere Unterform der Triton-Tumoren tritt in der Allgemeinbevölkerung mit einer Häufigkeit von lediglich 0,001 % auf.
Aufgrund der aggressiven Natur dieser Tumoren gibt es keine spezifischen Leitlinien für Triton-Tumoren. Die Behandlung orientiert sich daher an den etablierten Empfehlungen für Weichteilsarkome gemäß der S3-Leitlinie „Adulte Weichgewebesarkome“ sowie der S2k-Leitlinie „Diagnostik und Therapie peripherer Nerventumoren“. Die Standardtherapie umfasst in der Regel eine Kombination aus Operation, Strahlentherapie und Chemotherapie.
Da der Tumor von Herrn Emde aufgrund seiner Größe und Lage nicht operabel war, empfahl das interdisziplinäre Tumorboard eine Protonentherapie. Besonders große und tief im Körper liegende Tumoren können von einer Protonentherapie gezielt behandelt werden. So soll der Tumor kontrolliert und das umliegende gesunde Gewebe zur Vermeidung von Nebenwirkungen bestmöglich geschont werden. Am Westdeutschen Protonentherapiezentrum (WPE) wurden bislang gerade einmal 19 Patient:innen mit einem MPNST behandelt (von insgesamt 650 Patienten mit Weichteilsarkomen), darunter nur 5 mit einem malignen Triton-Tumor – was die extreme Seltenheit dieser Diagnose unterstreicht. Die Prognose bleibt sehr ernst.
Aufenthalt auf der AYA-Station
Während seiner stationären Behandlung wird Moritz Emde auf der AYA-Station (Adolescents and Young Adults) im Westdeutschen Tumorzentrum betreut. Diese speziell für Jugendliche und junge Erwachsene eingerichtete Station berücksichtigt die besonderen Bedürfnisse dieser Altersgruppe. In einer Lebensphase, in der Unabhängigkeit, Ausbildung und soziale Kontakte im Vordergrund stehen, bedeutet eine Krebserkrankung eine schwierige Herausforderung. Die AYA-Station bietet eine altersgerechte Umgebung und ermöglicht den Austausch mit Gleichaltrigen, was den Heilungsprozess positiv beeinflussen kann. Die Station wurde maßgeblich von Prof. Uta Dirksen in Kooperation mit Prof. Sebastian Bauer ins Leben gerufen.
Das Westdeutsches Protonentherapiezentrum Essen (WPE)
Das Westdeutsche Protonentherapiezentrum Essen (WPE) behandelt jedes Jahr ca. 700 Patientinnen und Patienten und ist das größte strahlentherapeutische Zentrum Europas im Bereich der Kinder- und Jugendradioonkologie. Aufgrund der technischen und physikalischen Eigenschaften der Protonentherapie ist sie besonders für viele junge Patientinnen und Patienten vorteilhaft sowie bei der Bestrahlung von tiefliegenden Tumoren und solchen, die von empfindlichem Gewebe umgeben ist.
Pressekontakt
Westdeutsches Protonentherapiezentrum Essen (WPE)
Medizinische Leiterin: Prof. Dr. med. Beate Timmermann
Hufelandstraße 55
45147 Essen
Redaktion: Dr. Stefanie Schulze Schleithoff und Liane Ohlms, Tel. 0201-723-6600, E-Mail schreiben
5000 Patient:innen im WPE
In nicht ganz 12 Jahren wurden bis Februar 2025 über 5000 Patient:innen behandelt. Davon hatten ein Viertel ein Sarkom.
Die häufigste Indikation waren Hirntumore bzw. Tumore des Zentralen Nervensystems mit fast 45 Prozent. Andere wichtige Diagnosegruppen sind u.a.: HNO-Tumoren, Augentumoren, Nerventumoren, Prostatakarzinome und Lymphome.
Was ist ein Tumorboard?
Damit Patientinnen und Patienten die bestmögliche Behandlung ermöglicht werden kann, arbeiten Ärztinnen und Ärzte aus verschiedensten Fachrichtungen zusammen. Die Abstimmungen erfolgen dabei in regelmäßigen Konferenzen, in denen die individuellen Erkrankungs- und Verlaufsdaten besprochen und vorgestellt werden. Diese Konferenzen werden Tumorboards genannt. Oder auch: interdisziplinäre Tumorkonferenzen. Hier arbeiten Onkolog:innen, Strahlentherapeut:innen, Radiolg:innen und Patholog:innen eng zusammen, um die besten Therapiekonzepte für jeden Patienten zu suchen.
Patienten aus dem Aus- und Inland
Damit alle Patienten aus dem In- oder Ausland reibungslos eine Protonentherapie am WPE bekommen können, hilft unser Case Management bei der Zusammenstellung aller erforderlichen Unterlagen und unterstützt auch bei Anreise und Unterkunft. Nehmen Sie gerne Kontakt auf.