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Übersicht: AktuellesErstellt am: 23.08.2024

Der Färbergarten ist eine Projektidee, die sowohl Patientinnen und Patienten sowie Mitarbeitende gleichermaßen ansprechen und zum Mitwirken anregen soll.

In unsere heutigen schnelllebigen und von Medien überfluteten Welt sind wir durch stetig steigenden Leistungsdruck und materialistisch geprägten Werten dabei, uns von der Natur und uns selbst zu entfernen. Diese bestehenden Tendenzen können zu Stolpersteinen im Leben eines Menschen werden. Im kunsttherapeutischen Kontext stellen wir uns immer wieder die Frage: Was kann bei einem Heilungsprozess wirksam sein und was können wir dafür tun, um Gesundheit zu erhalten?

Die Idee des Färbergartens

Wir haben in der Medizin und Psychologie viele wertvolle, anwendbare Methoden und Konzepte, doch in einer sich ständig wandelnden Welt sind wir bestrebt, auch die bestehenden Methoden weiterzuentwickeln oder neue Denkmodelle zu erproben. Eines dieser Modelle ist der Färbergarten – eine besondere Art von Garten. In diesem werden nur Pflanzen angebaut , die zur Herstellung von Pflanzenfarben genutzt werden können. Doch warum gerade ein Färbergarten?

Diese Idee hat der Essener Künstler Peter Reichenbach auf Grundlage der Fragstellung entwickelt, wie das alte Färberwissen heute nutzbar gemacht werden könnte. Er hat im Gedanken der sozialen Skulptur von Joseph Beuys den Färbergarten als Kunstwerk ins Leben gerufen. Diese Idee konnte sich weltweit in vielen sozialen Einrichtungen und Projekten etablieren und kann heute als weltumspannendes Kunstwerk bezeichnet werden.

Ein Werk, das von jedem einzelnen Menschen mitgestaltet werden kann, ungeachtet des Alters, der Herkunft oder der persönlichen Situation. Es ist ein Projekt, das durch ein niederschwelliges Angebot prinzipiell jeden zum Mitmachen einlädt. Das Westdeutsche Protonentherapiezentrum in Essen hat nun den Schritt des ersten Färbergartens im Universitätsklinikum gewagt.

Impressionen der Einweihung

Färbergärten

Weitere Hintergründe zu Färbergärten und der natürlichen Gewinnung von Farben.

Interdisziplinäre Planung

Nach langjähriger Planung und durch das Mitwirken vieler verschiedener Berufsgruppen, konnte der Färbergarten nun eröffnet werden. Eine Besonderheit ergab sich schon in der ersten Planungsphase mit der Bildung eines berufsübergreifenden Färbergartenteams. Auch in anderen Projekten ist es nicht unüblich, dass sich zur Umsetzung einer Idee Menschen zusammenfinden. Erfahrungsgemäß sind es aber oft Konstellationen von ähnlichen Arbeitsgruppen. In unserem Fall kamen Menschen zusammen, die zuvor so noch nie zusammengearbeitet hatten. Ein sehr fruchtbarer Moment, denn im herausfordernden Klinikalltag, in dem oft wenig Zeit für die zwischenmenschliche Begegnung bleibt, konnten hier neue Gedanken für das Projekt und die jeweils andre Berufsgruppe wachsen. Mitarbeitende konnten sich so schon von Beginn an einbringen oder im späteren Verlauf dazukommen, um mitzuwirken. Dies ist ganz im Sinne des Präventionsgedankens, der die frühzeitige Stärkung und Unterstützung der Mitarbeitenden pflegt.

Der Ewigkeitsgedanke

Ein weiterer erwähnenswerter Aspekt ist der Ewigkeitsgedanke. Das onkologischen Setting ist oft bewegt von schweren Fragen, die sowohl ältere, als auch schon die jüngsten Patient:innen beschäftigt. – Fragen, die sich mit dem Sinn einer Erkrankung und dem persönlichen Schicksal auseinandersetzen oder auch Themen, die sich mit der Endlichkeit des Lebens befassen. Der Garten inmitten der Klink kann eine Oase der Begegnung und Ruhe sein. Auch können Patient:innen etwas Lebendiges einpflanzen oder säen, jeden Tag beim Wachsen beobachten und den nächsten Patient:innen eine Blume hinterlassen. Aus dieser mit Hingabe gepflegten und gewachsenen Blume können die nächsten Besuchenden Farben herstellen und so neue Spuren in der Welt hinterlassen.

Herstellung von Farben

Die Farbherstellung folgt einem einfachen Prinzip, doch gibt es hier kein Richtig oder Falsch, sondern vielmehr ein forschendes Ausprobieren. Ohne Leistungsdruck zu sein und zu arbeiten, stellt einen ebenso nicht unwesentlichen Aspekt dar, der im Krankheitsverlauf wie auch im Arbeitsalltag bedeutsam sein kann. Denn jede Farbe ist auf ihre Art einzigartig und hängt von der Erde, in der sie gewachsen ist, dem Wasser, das sie getränkt hat und dem Wind, der der sie umweht hat, ab. Was zählt, ist der Moment, in dem sie entsteht, schließlich sind die Farben organisch und somit vergänglich. Doch im nächsten Zyklus des Jahres wachsen sie erneut aus den Samen der verblühten Pflanzen. Es ist nur ein kleiner Einblick in die vielen verschiedenen Ebenen, die ein Färbergarten in sich trägt. Vielleicht erklingt zwischen den Zeilen eine Ahnung, warum all das im onkologischen Bereich wie auch in so vielen anderen Bereichen relevant sein sollte. Wir haben unseren Färbergarten mit einem kleinen Fest eröffnet und möchten an dieser Stelle einige Momente teilen und neugierig auf den weiteren Weg dieses Projekts machen.

Kunsttherapie am WPE